Was wir ‚Bescheidenheit‘ nennen, ist oft nichts anderes als antrainierte Selbstverkleinerung. Generationen von Frauen haben gelernt: Mach dich klein, dann bist du sicher.

Neulich bin ich wieder über diese alten Fotos gestolpert – Sie kennen das sicher auch. Frauen aus Großmutters und Urgroßmutters Zeit, die da so selbstverständlich in die Kamera schauen. Und wissen Sie was? Die meisten von denen hätten heute keine Chance auf Instagram. Kräftige Arme, runde Bäuche, breite Hüften – alles das, wofür wir uns heute entschuldigen würden.
Aber schauen Sie mal in ihre Augen! Da ist kein „Bin ich schön genug?“ oder „Hoffentlich sehe ich nicht zu dick aus“. Da ist einfach: Hier bin ich. So bin ich. Fertig.
Früher und heute – was für ein Unterschied!
Ich scrolle heute durch Facebook oder schaue mir die Fotos in Outfit-Gruppen an. Und überall dasselbe: Frauen, die sich entschuldigen, bevor sie überhaupt zeigen, was sie anhaben.

„Ich weiß, der Bauch ist zu dick, aber…“ „Sorry für die Röllchen, trotzdem schön, oder?“ „Für meine 65 Jahre noch okay, denke ich mal…“
Kennen Sie das? Ich mache es genauso! Aber warum eigentlich?
Schauen Sie sich dagegen diese Computer-Bilder an, die heute überall sind. Perfekte Frauen mit unmöglichen Körpern. Oder diese jungen Mädchen, die sich fast nackt fotografieren, nur um Aufmerksamkeit zu bekommen. Das soll schön sein? Das soll erstrebenswert sein?
Was ist bloß passiert?

Meine lieben Leserinnen, wir müssen uns mal etwas klarmachen: Unsere Großmütter und deren Mütter haben für uns gekämpft! Die Suffragetten sind ins Gefängnis gegangen, wurden geschlagen und gequält – alles dafür, dass wir als vollwertige Menschen gesehen werden. Nicht als hübsche Püppchen, sondern als Menschen mit Verstand und Würde.
Und wir? Wir machen uns freiwillig wieder klein. Wir entschuldigen uns für unsere normalen Körper. Wir verstecken uns, anstatt stolz zu sein auf das, was wir sind und was wir geleistet haben.
Das ist doch verrückt! Da kämpfen Generationen von Frauen dafür, dass wir ernst genommen werden – und wir reduzieren uns wieder aufs Aussehen. Als wäre das das Einzige, was an uns zählt.
Diese Computer-Bilder machen alles noch schlimmer
Heute ist es noch gemeiner als früher. Da werden diese perfekten Frauen am Computer gemacht – kein Mensch sieht wirklich so aus! Aber wir vergleichen uns trotzdem damit. Wir messen uns an Fantasie-Figuren, die ein Algorithmus zusammengebastelt hat.
Das ist so ungerecht! Da sollen wir mit 60, 70 Jahren konkurrieren mit Kunstfiguren, die nie alt werden, nie Falten bekommen, nie zunehmen? Das ist doch absurd!
Und dann wundern wir uns, warum wir uns alle nicht gut genug fühlen …

Was unsere Urgroßmütter besser gemacht haben
Die Frauen früher wussten: Ich bin wertvoll, weil ich da bin. Weil ich meine Familie versorge, weil ich arbeite, weil ich denken kann. Nicht weil ich aussehe wie ein Filmstar.
Nehmen Sie die Violinistin Miss Geraldine Morgan – eine berühmte Musikerin von damals. Die wurde beschrieben als „graziös und intelligent schön“. Aber zuerst war sie eine großartige Künstlerin! Das war ihr Wert.
Oder diese unbekannte Dame auf dem alten Foto: Die braucht keine Pose, keine Show. Die ist einfach – und das reicht.
Können wir das wieder lernen?

Ich versuche es manchmal in Facebook-Gruppen anders zu machen. Statt zu fragen „Macht mich das dick?“ frage ich: „Fühle ich mich wohl darin?“ Statt zu suchen, was schlecht aussieht, schaue ich, was mir gefällt.
Das ist schwer, ich weiß. Wir haben das alle so gelernt – immer zuerst schauen, was falsch ist mit uns.
Aber wissen Sie was? Wir sind in einem Alter, wo wir uns das nicht mehr antun müssen! Wir haben Kinder großgezogen (zumindest viele von uns), gearbeitet, Krisen überstanden (mit Sicherheit alle). Wir haben bewiesen, dass wir mehr sind als unser Aussehen.

Zeit für Stolz statt Scham
Die Suffragetten haben nicht ihr Leben riskiert, damit wir uns mit 65 noch für unsere Bäuche schämen. Die haben gekämpft, damit wir aufrecht durchs Leben gehen können – mit allem, was zu uns gehört.
Unsere Falten erzählen Geschichten. Unsere kräftigen Arme haben Enkel getragen. Unsere breiten Hüften haben Leben geschenkt. Das ist nicht peinlich – das ist ein Leben!
Vielleicht können wir ja gemeinsam üben: Einmal ein Foto machen ohne Entschuldigung. Einmal sagen „Ich mag dieses Kleid“ statt „Ich sehe schrecklich aus, aber…“
Wir sind genug. So wie wir sind. Mit allem, was dazugehört.
Was meinen Sie? Geht es Ihnen auch so? Ich freue mich über Ihre Erfahrungen und Gedanken zu diesem Thema.
