Von Iris Bandner
Ein langer Tag neigt sich dem Ende zu. Hermine ist noch ganz aufgeregt. Hat sie doch heute ein ganz besonders bezauberndes Menschenkind getroffen. Die kleine Helen, mit ihren langen, rotblonden Haaren und ihren strahlend blauen Augen eine äußerst liebenswerte Erscheinung. Sie hüpfte und sprang voller Begeisterung in die noch vom Herbst stammenden und liegen gebliebenen Laubhügel. Welch eine Freude war es, diesem quirligen Geschöpf zuzuschauen.
Unermüdlich sprang sie über Stock und Stein. Sie schien nicht müde zu werden. Überall entdeckte sie etwas Neues und Aufregendes. So kam sie auch an den Platz, an dem sich Hermine ausruhte und ihr voller Freude zusah. Sogleich setzte sich Helen neben Hermine, damit sie ihr beim Sprechen auch in die großen Glubschaugen schauen konnte.
Helen versuchte sich nun mit Hermine zu unterhalten. Dies konnte leider nicht funktionieren, da Helen eine süße, liebliche Stimme hatte und Hermine, na ja, ein lautes Quaken von sich gab. Wie man das heute so ausdrückt, ihre Sprachen waren nicht kompatibel. Dafür ihre Seelen. Sie freuten sich aneinander und waren sehr neugierig, den anderen kennen zu lernen.
Hermine ließ sich sogar anfassen. Helen hatte auch gar keine Angst vor der etwas gruselig aussehenden Hermine mit ihren dicken Warzen auf dem Rücken. Und als Helen noch sah, wie sich Hermine ihre Mittagsmahlzeit, eine dicke, fette Fliege, mit ihrer Zunge fing, war es ganz aus. Laut und glockenhell lachte sich Helen schier tot.
Helen und Hermine lachten jeder auf seine Weise. Der dicke Bauch der Kröte wabbelte und Helen musste sich ihr Bäuchlein auch vor Lachen festhalten. Bei der Gelegenheit, als Helen noch glaubte, sie könne sich mit Hermine in ihrer Sprache unterhalten, sagte sie: Ich bin Helen und wie heißt du? Da die Tiere die Menschensprache sehr gut verstehen können aber leider nicht umgekehrt, wusste nun Hermine, dass dieses Kind Helen hieß.
Von diesem Lachen und Spielen wurde die alte, kluge Eule Edeltraud geweckt. Neugierig verließ sie ihre Höhle und war erst mal ärgerlich, wer denn hier ihre Tagesruhe stört. Als sie aber sah, welche Freude diese beiden miteinander hatten, hörte sie sehr aufmerksam zu. Deshalb hörte sie auch den Namen dieses kleinen Mädchens. Abends als es dunkel wurde und Helen schon längst zu Hause war, kam Edeltraud nochmals aus ihrer Baumhöhle gekrochen, denn das ist die Tageszeit in der sie aktiv ist.
Hermine saß noch träumend von diesem schönen Nachmittag auf dem großen Stein und sah den Schnaken zu, wie sie ihren wilden Tanz an der Wasseroberfläche des Weihers vollführten.
Edeltraud, die kluge und weise Eule, fing, nachdem sie ihr Gefieder gesträubt hatte, auch sofort an zu sprechen. „Hermine, heute hast du ein außergewöhnliches Kind kennengelernt. Es war zu schön, euch zuzuschauen. Deshalb habe ich auch gehört, wie das Mädchen heißt. Nämlich Helen!! Und da ich ja, wie du weißt, klug bin, kann ich dir auch die Bedeutung dieses Namens verraten. Helen ist die Ableitung von Helene. Dieser Name kommt aus dem Griechischen und bedeutet Fackel, Glanz oder Sonnenstrahlen. Deshalb bedeutet Helen auch Sonnenschein. Wie schön, manchmal treffen die Menschen bei ihrer Namensauswahl die richtige Entscheidung. Denn dieses Kind ist wirklich ein Sonnenschein. Nun, liebe Hermine lass ich dich alleine, denn ich muss mir meine Mahlzeit fangen. Schlaf schön. Du hast heute mit dem Sonnenschein gesprochen. Wie schön. Das können nicht alle von sich sagen.“