Gegen die Einsamkeit – Silbernetz startet das Feiertagstelefon

Der Klang der Nummer

Es ist Anfang Dezember. Im kleinen Wohnzimmer sitzt Frau Linde in ihrem alten Sessel, die warme Decke über den Beinen. Draußen tanzen Schneeflocken über die stillen Straßen und drinnen hört man nur das leise Ticken der Uhr.

Seit Tagen hat sie kein Gespräch mehr geführt. Keine Stimme, kein „Wie geht es dir?“ Nur ihr Atem und das Rascheln der Zeitung. Sie streicht über die Kante ihres Telefons. „Wenn nur jemand da wäre“, flüstert sie.

Dann erinnert sie sich an etwas, das sie in der Zeitung gelesen hat – ein Angebot, das gerade an diesen Tagen wie ein Licht im Dunkeln wirkt:

„Das Silbernetz Telefon ist täglich von 8 bis 22 Uhr erreichbar und bahnt einsamen Menschen ab 60 Jahre den Weg aus der Isolation.

Am 24. Dezember startet Silbernetz zum 9. Mal das Feiertagstelefon:
Von Heiligabend um 8 Uhr bis Neujahr um 22 Uhr ist das Silbertelefon unter
0800 4 70 80 90 rund um die Uhr erreichbar – deutschlandweit.
Anonym, vertraulich und kostenfrei finden hier alle Menschen ab 60 Jahren ein offenes Ohr,
die sich einsam fühlen oder einfach mal reden möchten.

Oft sind Menschen in der Leitung, die seit mehreren Tagen mit niemandem mehr gesprochen haben. Besonders über die Feiertage ruht das öffentliche Leben und die Geschäfte sowie viele andere Angebote sind geschlossen.

Beim Feiertagstelefon im vergangenen Jahr klingelte es über 6.000 Mal auf der 0800 4 70 80 90. Dabei führten 16 feste Mitarbeiter*innen und 63 Ehrenamtliche knapp 2.200 Gespräche mit über tausend verschiedenen Anrufenden. Rund 20 Prozent der Anrufe gingen in der Nacht zwischen 22 und 8 Uhr ein.

Die Themen der Gespräche am Feiertagstelefon unterscheiden sich kaum von denen in anderen Monaten, oftmals werden die Gefühle über die Feiertage jedoch noch stärker empfunden. Die häufigsten Anliegen waren: „einfach mal reden“ (rund 95 %), physische Beschwerden (über 75 %), Einsamkeit (rund die Hälfte) und positive Rückmeldung/ Dankbarkeit (rund 45 %).“


Frau Linde liest die Zeilen zweimal. Dann legt sie die Hand fester um den Hörer. „Einfach mal reden“, murmelt sie. „Ja… das könnte ich.“

Sie wählt die Nummer.
Ein Freizeichen.
Dann eine warme Stimme: „Guten Abend. Hier ist Silbernetz. Wie schön, dass Sie anrufen.“

Etwas in ihrem Brustkorb wird weich. Die Worte kommen stockend, dann fließend. Sie spricht über früher, über die Stille, über den Duft der Plätzchen, die sie diesmal allein gebacken hat. Und jemand hört zu – ohne Eile, ohne Urteil, einfach da.

Als sie später auflegt, fühlt sich der Raum nicht mehr ganz so leer an. Die Dunkelheit draußen ist dieselbe, doch in ihr brennt ein kleines Licht. Ein Licht aus Worten, Verständnis und Nähe.

Manchmal beginnt der Advent genau in dem Moment, in dem man die Nummer wählt – und jemand sagt: „Ich höre Ihnen zu.“

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