Zum Vorlesen lassen: Ein kleiner Moment des Glücks

Ihr könnt nicht nur nachlesen, sondern euch auch vorlesen lassen.

Vorlesen lassen:

Und falls ihr es doch lieber lesen wollt:

Ich erinnere mich noch gut an den lauen Abend im Mai. Eigentlich ging es mir gar nicht so gut; eine innere Unruhe und schlechte Laune begleiteten mich den ganzen Tag. Am liebsten wäre ich mit meinen Sorgen allein zu Hause geblieben, doch ich hatte meine Teilnahme an der Veranstaltung zugesagt, und so hielt ich mich daran.

Wir waren auf einer Vereinsveranstaltung unterwegs, bei der wir Gäste aus dem französischen Pendant unseres Vereins eingeladen hatten. Die Gruppe war voller Lebenslust, so wie wir es von unseren französischen Freunden gewohnt waren. Besonders ins Auge fiel die Tanzgruppe, die sie mitgebracht hatten. Eine Folkloregruppe, die in einer wunderschönen altmodischen Tracht mit schwarzen Kleidern, weißen Spitzenkragen und weißen Häubchen auftrat. Die traditionellen Holzschuhe vollendeten das Bild, das aus einer anderen Zeit zu stammen schien.

Nach dem offiziellen Teil der Veranstaltung passierten wir zufällig einen kleinen Jahrmarkt, der an diesem Wochenende stattfand. Bunte Lichter tanzten über die Köpfe der Menschen, und der Duft von Zuckerwatte und gebrannten Mandeln lag schwer in der Luft. Das Lachen der Kinder und das Rattern der Fahrgeschäfte vermischten sich zu einer Melodie, die den ganzen Platz erfüllte. Doch auch dieses bunte Treiben konnte meine Stimmung nicht heben.

Die Tanzgruppe zog, wie erwartet, neugierige Blicke auf sich, doch sie schienen davon völlig unbeeindruckt. Plötzlich entdeckten sie das Kettenkarussell, johlten aufgeregt und zogen im Handumdrehen ihre Holzschuhe aus. Lachend und mit einem kindlichen Glanz in den Augen, setzten sie sich in die bunten Sitze des Karussells. Sie winkten mir zu, sie zu begleiten, aber ich schüttelte nur den Kopf. Die Vorstellung, mich in dieser Stimmung auf ein Fahrgeschäft zu begeben, erschien mir abwegig.

Als das Karussell sich langsam in Bewegung setzte und dann schneller wurde, sah ich, wie sich die Tanzgruppe an den Ketten festhielt, ihre Augen schloss und den Wind in ihren Haaren spürte. Ein Leuchten breitete sich über ihre Gesichter aus, ein Ausdruck reinen, unbeschwerten Glücks. Sie wirkten plötzlich wie Kinder, gefangen in einem gealterten Körper, und ihr Lachen war ansteckend. Ich muss zugeben, in diesem Moment beneidete ich sie ein wenig um ihre Fähigkeit, den Augenblick voll auszukosten.

Das Karussell wurde langsamer und hielt schließlich an. Für einen Moment schien die ganze Welt stillzustehen, eingefroren in einem Bild voller Freude und Leichtigkeit. Die Tanzgruppe stieg lachend aus den Sitzen, ihre Wangen gerötet, ihre Augen leuchtend. Es war ein einfacher Moment, kaum mehr als ein kurzer Augenblick des Vergnügens – aber er hatte etwas in mir berührt.

An diesem Abend wurde mir klar, dass ich oft zu sehr auf das große Glück gewartet hatte, ohne zu merken, dass es die kleinen Momente sind, die das Leben wirklich reich machen. Ich fragte mich, wie viele dieser Augenblicke ich in meinem Leben schon verpasst hatte, weil ich zu sehr mit meinen Sorgen und meiner Unzufriedenheit beschäftigt war.

Vielleicht, so nahm ich mir vor, war es an der Zeit, das Leben ein wenig leichter zu nehmen und die kleinen Freuden zu genießen, die jeden Tag aufs Neue auf uns warten. Denn manchmal reicht ein kleiner Moment des Glücks, um das Herz wieder zum Leuchten zu bringen.


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