In diesem Jahr hatten, mein Mann und ich, uns vorgenommen mal nicht zu faul zu sein und die Christmette zu besuchen die gegen 23:00 Uhr anfing.
Ungefähr eine halbe Stunde vor Beginn machten wir uns auf den Weg zur Kirche. Es war eine, für diese Zeit verhältnismäßig laue Nacht. Es regnete in Strömen, doch dem Regen waren auch Schneeflocken beigemischt. Da man ja für Weihnachten extra beim Frisör war und auch neue Kleider anhatte (wahrscheinlich trifft dies auf die meisten der Frauen zu) wollte man dieses nicht dem Schnee – Regen aussetzen. Just aus diesem Grund öffnete ich den Schirm, einen sogenannten Knirps, welchen ich vorsichtshalber stets in meiner Handtasche hatte.
Mein Mann und ich marschierten also los zur Kirche, wobei wir einen Weg von ca. 700 Metern zu bewältigen hatten. Bei der Kirche angekommen, das Läuten hatte schon aufgehört, wollte ich diesen Knirps zusammenklappen um ihn eventuell in meiner Handtasche zu verstauen. Wer als Schirm schon solch einen Klappschirm sein Eigen genannt hatte, weiß dass beim zusammen drücken etwas Kraft angewendet werden muss um eine Spannung zu überwinden, bevor man ihn in sein Etui stecken konnte.
Ich drückte ihn also zusammen und versuchte ihn in sein Behältnis zu verfrachten. Leider war es ein sehr diffuses Licht, so dass ich mich genötigt sah ihn gegen die Lampe anzuheben, welche am Kircheneingang befestigt war, so dass ich sehen konnte wie und wo ich das Etui zumachen konnte.
Genau in diesem Moment löste sich die Spannung des Schirms, der Knauf sprang nach hinten los und traf mit großer Treffsicherheit und voller Wucht meinen ganzen Mund und meine Vorderzähne. Innerhalb kürzester Zeit fingen meine Lippen an zu bluten und sie vergrößerten sich mit einer ungeahnten Schnelligkeit um das dreifache seines Ursprungszustandes. Ich sah aus als hätte ein Schönheitschirurg einen Fehler gemacht beim Lippen aufspritzen. Dabei musste ich unmittelbar feststellen, dass noch meine zwei oberen Schneidezähne auch getroffen worden waren, sie wackelten bedenklich. Der Knauf des Schirms war mit Karacho genau vorne auf meinem Mund gelandet. Mein Gesicht spiegelte sich in einer Scheibe. Grauenvoll sah ich aus. Blutig, ramponiert, einfach schrecklich.
So wie ich jetzt aussah, wollte ich keinesfalls den Gottesdienst besuchen. Uns blieb nichts anderes übrig als den Heimweg anzutreten. Beim Haus meiner Tochter klingelten wir. Da sie aber gemeint hatte, wir wären in der Kirche, war sie sehr erstaunt uns zu sehen. Doch es dauerte nicht lange bis sie lauthals anfing zu lachen. Sie hatte mich und meinen Mund gesehen. Sagen konnte ich nicht viel, durch den Umfang meiner Lippen bekam ich fast keinen Ton raus. Deshalb erklärte mein Mann was passiert und für mein momentanes Aussehen verantwortlich war. Das wiederum
führte zu einem allgemeinen Heiterkeitsanfall der restlichen Gäste welche natürlich sehen wollten was meine Tochter zum Lachen gebracht hatte. Diese konnte sich fast nicht mehr beruhigen vor Lachen. Alle anderen lachten natürlich mit. Mir blieb nichts anderes übrig als an das Sprichwort zu denken : Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.
Es entwickelte sich aus dieser Begebenheit eine dreiwöchige Behandlung beim Zahnarzt bis ersichtlich war, dass meine Zähne nicht gezogen werden mussten, sondern sie wuchsen in dieser Zeit wieder fest und auch meine Lippen waren wieder zu ihrer Ursprungsform geschrumpft. Also im wahrsten Sinne des Wortes ein Weihnachtsfest mit einer schönen Bescherung.